Pensioniert, aber nicht im Ruhestand

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Dieses Zitat aus einem Zeitungsbericht*  über Pfarrer Dr. Erich Bröking könnte ebenso einem Bericht über seine zweite Tochter Renate entnommen worden sein.

Anfang Mai 2012 besuche ich  Frau Graffmann in einer  Wohnung, von der sie einen wunderbaren Blick über ihren ehemaligen Pfarrbezirk Köln-Bocklemünd, auf die Auferstehungskirche und den  Kölner  Dom hat.

Ich lerne eine wunderbare Frau mit großer  Ausstrahlung kennen, deren hoher Intellekt gebändigt wird durch  ihr liebevolles Interesse an ihren Mitmenschen, an ihrer Umwelt. Sie engagiert  sich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in vielen Projekten und Netzwerken.

Renate Bröking zog mit ihrer Familie in das 1955 wieder aufgebaute Pfarrhaus neben der Trinitatiskirche, an der ihr Vater schon seit 1948 tätig war. Nach dem Abitur studierte sie Evangelische Theologie, Philosophie und Christliche Archäologie in Wuppertal, Berlin, Bonn und New Haven, USA.

Ihr Studienjahr an der Yale Universität machte sie aufmerksam auf eine Ausgrabung dieser Universität in Syrien. Es wurde dort eine alte, jüdische Synagoge, die Dura Synagoge Europos, gefunden mit einem Wandbild,  auf dem das Abbildungsverbot Gottes umgangen wurde. Auf diesem Wandbild sind die Hände Gottes zu sehen, die aus dem Himmel kommend zur Erde weisen. Dieses Motiv fand sie in einem der drei Fenster in der Apsis der Trinitatiskirche wieder, das von der Kunstglaserei Brand, Masurenstraße,  in den 50er Jahren zum Wiederaufbau der Kirche gestaltet wurde.

Schmunzelnd erzählt sie die Geschichte ihrer Konfirmation in der Trinitatiskirche. Sie vergoss Tränen, als ihr Vater sie konfirmierte. Das rührte die Gemeindemitglieder und die Frauen aus der Frauenhilfe erzählten: „ Renate war bewegt“.  Diese Tränen waren aber nicht ausgelöst worden durch die Bedeutung des Tages, durch ihre Ergriffenheit, sondern durch ihr Konfirmationskleid. Dieses Kleid  mit Stehkragen war aus einem alten, gewendeten Mantel genäht worden, und dieser Stoff kratzte so stark am Hals, dass sie die Tränen nicht zurückhalten konnte.

Geheiratet hat sie 1966 in der Trinitatiskirche den Theologen Karl Graffmann.

Zu dieser Zeit gab es für verheiratete Theologinnen keine Chance, als Pfarrerin in einer evangelischen Gemeinde tätig zu werden, eine Spielart des Zölibates. Da um 1973 großer Pfarrermangel herrschte, beschloss die Landessynode eine Lockerung und Frau Graffmann hatte nun alle Voraussetzungen für die Ordination in den Pfarrdienst, den sie 1975 an der Auferstehungskirche in Köln-Bocklemünd, einem sozialen Brennpunkt, antrat. Sie war dort in der Gemeindearbeit sowie ab 1997 als stellvertretende Superintendentin bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2000 tätig.

Frau Graffmann ist seit 1986 eine engagierte Kämpferin für die Integration der staatenlosen und fast rechtlosen Sinti und Roma. Sie wurde auf deren Probleme aufmerksam, als ca. 1000 Sinti und Roma aus Osteuropa auf der Suche nach einem Ort, der ihnen Bleiberecht bot, in Köln ankamen, viele von ihnen im Bezirk ihrer Gemeinde Bocklemünd. Durch ihren Einsatz und ihre Überzeugungsarbeit in der Gemeinde erhielten diese Menschen Hilfe.  Im Verein Rom e.V. (Verein zur  Verständigung von Roma und Nicht-Roma) ist sie im Vorstand u.a. mit Günter Wallraff  bis heute tätig und setzt sich sehr für Projekte ein, die ihren Focus auf Bildung und Integration der Romakinder richten.

*Der Weg, April 1975

 

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