Senefelderstraße 9 – ein ganz besonderes Haus und eine ganz besondere Frau (Fotos G. Mann / Text: I. Karsties)

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Ein besonderes Haus in der Senefelder Straße

Das Haus weist architektonische Besonderheiten auf. Eine zweiflügelige große Tür öffnet den Weg in eine Halle, von der eine seitlich abgehende Treppe erst zur eigentlichen Haustür führt. Eine Frage werfen ebenfalls die dem Eingang gegenüberliegenden bodennah gelegenen Fenster auf. Eine Lösung kommt über die Gegensprechanlage für diese ungewöhnliche Bauweise des um 1900 erbauten Hauses:  „Hier hat eine Gräfin gewohnt, aber  fragen Sie doch bei Brökers  nach, die wissen mehr.“

Eine besondere Frau in einem besonderen Haus

Frau Bröker empfängt uns und lädt uns in ihre Wohnung ein. Sie lebt seit 1933 nicht nur ununterbrochen am Arrenberg, sondern auch  in der Senefelder Straße. Sie war vier Jahre alt, als ihre Familie mit ihr in das Haus einzog.

Über die Gräfin kann sie nicht viel berichten; sie erinnert, dass die Eingangshalle eine Kutsche aufnahm, in die die Gräfin trockenen Fußes steigen konnte. Die bodennahen Fenster gaben Licht in eine tiefer liegende, mit Delfter Kacheln ausgestatte große Küche, in der die dem gesellschaftlichen Stand entsprechenden Gerichte zubereitet wurden.

Die Fenster des Hauses boten einen wunderbaren Ausblick über die Senefelder Straße in den gegenüberliegenden Park. Abends romantisierte der Schein der Gaslaternen diesen Blick.

In dem Park stand die Villa der Familie Baum, einer jüdischen Familie, Eigentümer der Margarinefabrik Gebr. Baum, die Ecke Gutenbergstraße/ Bärenstraße ihren Sitz hatte. 1937/38 wurde der Betrieb „arisiert“ und Teilhaber übernahmen die Firma. Die Villa der Baums wurde durch die Nazis zerstört. Die junge Edith erlebte, wie die Nazis die Tochter abholten, die in einem Konzentrationslager verschwand und nie mehr auftauchte. Der Sohn konnte sich nach England retten und kam nach Kriegsende mit den englischen Besatzern zurück. Er rechnete mit den Deutschen verständlicherweise hart ab. Der Vater Baum wurde eines Tages tot aus dem Haus geholt; er hatte seinen Kopf in den Gasofen gesteckt und sich selbst getötet. Ediths Mutter unterstützte das letzte Familienmitglied in der Villa, indem sie Frau Baum mit Nahrung versorgte. Die Nazis wussten mit ihr nicht so richtig etwas anzufangen, da sie „arisch“ war und in eine jüdische Familie eingeheiratet hatte.

Als die Bombe in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1943 in das Haus fiel, blieben nur die Außenmauern stehen, die Familie musste umziehen. Sie zog in das Eckhaus  Senefelder Straße / Arrenberger Straße. Da die Wasserleitungen zerstört waren, wurde das Trinkwasser in Eimern aus der Färberei in der Gutenbergstraße geholt, dem heutigen Domizil der Familien Frischemeier, Koch/Lux und Mann.

Der Teenager Edith erlebte den Arrenberg durch ihre Backfisch-Augen. Sie amüsierte sich vom Balkon aus, der den Blick auf die Arrenberger Straße öffnete,  über die SchuPos, die in der gegenüberliegenden braunen Polizeikaserne exerzierten und marschierten.  Anders klang dann die Schilderung der Eindrücke, als zwei Jahre später, 1945, der Munitionszug explodierte, der auf den Gleisen oberhalb der Arrenberger Straße abgestellt war. Die Explosion ließ die Fensterscheiben zerbersten, Balkons fielen von den Häusern ab, die Dächer trennten sich von den Wänden. Auf der anderen Straßenseite war die Druckwelle stärker und zerstörte die braune Kaserne und auch viele der Menschen, die sich dort aufhielten.

Seit dem Wiederaufbau des Elternhauses 1950 wohnt die Familie wieder in der Senefelder Straße 9.

Frau Bröker wünscht sich eine bessere Anbindung an die Friedrich-Ebert-Straße durch einen Steg über die Wupper. So könnten für ältere und/oder gehbehinderte, aber auch für alle anderen Menschen Wege verkürzt und neue Möglichkeiten der Selbstständigkeit geschaffen werden.  Dadurch würde das Viertel verkehrsberuhigt, da Autofahrten vermieden werden könnten.

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