Final Church, die letzte Instanz

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Tätowierungen gibt es seit Jahrtausenden in vielen Kulturen mit unterschiedlichem Hintergrund. So wiesen sie auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen hin und drückten die gesellschaftliche Stellung oder die politische oder religiöse Haltung ihres Trägers aus. Seit über hundert Jahren brachte  man Tattoos mit Kriminellen und Prostituierten in Verbindung. Dadurch geriet die Tätowierung  in Verruf. Erst in den letzten drei Jahrzehnten wagen sich auch Menschen aus dem nicht kriminellen Milieu in die Tattoo-Studios. Durch die New Age-Bewegung wurde eine  mystisch-extrovertierte  Lebenshaltung  populär, die eine Vielzahl von Symbolen aller Religionen beinhaltet.

Diese reichhaltige religiöse Symbolik neben Bildern aus den 50er Jahren und Jagdtrophäen, d. h. Geweihen und Gehörnen auf Schädeln,  umfängt uns, Helene und Inge,  unmittelbar beim Betreten des Tätowierstudios ‚Final Church‘ in der Tannenbergstraße, das am 1. November 2010 gegründet wurde. Das Ladenlokal ist in einem unbeschreiblich schönen Grün gehalten, das noch betont wird durch das Rot der Durchgänge und Wandnischen.  Die Inhaber Ditch und Felix begrüßen uns und erzählen, wie sie zu ihrem ungewöhnlichen Beruf gefunden haben.

Ditch

Lächelnd berichtet  Ditch, dass er einen Onkel mit einem Tattoo am Unterarm hat, das ihn schon als Sechsjährigen fasziniert hatte. Und dann kam Hubba Bubba. In den Kaugummipackungen fanden die Kinder Tattoos, die sie anspuckten  und auf den Arm übertrugen. Und dann gab es auch diese langweiligen Schulstunden, die Ditch verschönte, indem er seine Arme mit dem Filzstift bemalte.  In Kunst hatte er immer eine eins Er malte mit Leidenschaft die Figuren des Comics Clever & Smart und band sie in einen anderen Zusammenhang ein.

Mit 14 Jahren entdeckte er den Punk und wurde Punkrocker. Viele Punks waren tätowiert. Durch die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Situation, wollte er „den metaphorischen Stinkefinger“ zeigen und ließ sich mit 16 Jahren tätowieren. Das ist eigentlich erst erlaubt, wenn man volljährig ist, doch der Tätowierer hielt ihn wohl dafür. Seine Oma entdeckte die ‚Hand of Fear‘ erst vier Wochen später, reagierte aber vernünftig.

Die Beziehung zu seiner Oma war speziell. Als er mit ca. 14 Jahren mit ihr  zur Berufsberatung im BIZ war, sagte sie dem Berufsberater, er solle keine Vorschläge machen, bei denen man Schlips und Kragen tragen müsse. Damit beschrieb sie genau das Aussehen des Berufsberaters. „So  wurde meine Oma zu meiner Heldin.“

„Ich wollte Tätowierer werden und hatte mir ein besonderes Studio ausgesucht. Ich sollte eine Mappe mit meinen Bildern präsentieren. Als ich mit der Mappe ankam, saß schon ein neuer Auszubildender im Studio. Ich war so enttäuscht, dass ich meine Mappe in die Wupper warf. Später habe ich als Piercer in einem Laden angefangen und bin dadurch auch zum Tätowieren gekommen.“

Er sieht die breite Tätowierbewegung kritisch. Role Models wie Schauspieler und Fußballer tragen Tattoos und verbreiten das Image „reich und tätowiert“.  „Das senkt die Hemmschwelle und die Jugendlichen wollen dann auch ein Tattoo. Die haben dann noch nicht einmal den Schulabschluss und verbauen sich ihre Zukunft. Die finden tätowiert keinen Job. Ich begrüße das nicht.“

Felix

Als Jugendlicher sah Felix seine Umwelt sehr kritisch. Im Alter von 12 Jahren wünschte er sich ein Tattoo.  Seine Eltern waren zwar „locker und cool“ doch nicht von seinem Wunsch zu überzeugen.  Mit 14 Jahren wurde er ein „Möchtegernrebell“ und trug Irokese und Dreadlocks.  Nach der 10. Klasse ließ er sich beim BIZ beraten. Er wollte gern in einem kreativen Bereich arbeiten. „Das können Sie vergessen“ war die Antwort. Also machte er sich auf die Suche nach einem Handwerk, das ihm zusagte. Ihm wurde eine Ausbildung als Schneidwarenmechaniker angeboten mit der Aussicht, dass er nach bestandener Prüfung in der Verwaltung und Organisation am Schreibtisch landen würde. „Das mache ich nicht, Büroarbeit ist einengend; ich bin freiheitsliebend.“ Mit 18 Jahren wuchs der Wunsch und er wollte sich endlich tätowieren lassen, was allerdings erst zwei Jahre später geschah. Nach dem ersten Tattoo war das Eis gebrochen und fast jeden Monat wurde Farbe nachgelegt. Durch die viele Zeit, die er im Tattoo-Studio verbrachte, erhielt er viele Einblicke in den Beruf und wollte die Kunst des Tätowierens schließlich selbst erlernen.

Parallel dazu besuchte Felix ein Berufskolleg und machte eine dreijährige Ausbildung zum Gestaltungstechnischen Assistenten „damit man was in der Hand hat.“  Danach traf er  Ditch und gründete mit  ihm zusammen die Final Church.

Felix und Ditch wollen lieber sie selbst sein, als einer Szene anzugehören; ihre Kunst soll im Vordergrund stehen. Tätowierungen provozieren, genau das, was  Kunst machen soll. Ihr Firmenname Final Church steht für die letzte Instanz, denn eine Tätowierung wird man nicht mehr los.

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