Wenn von singender Amsel die Rede ist, ist das Männchen gemeint.
So ein kleines Tier, so ein kleiner, hellorangener Schnabel,
so zierliche Beinchen, so ein bescheidenes, schwarzes Gewand.
Tjak-tjak.
Und dann eine solche Ausdauer beim Musizieren.
Seit Ende März geht das schon so, jetzt haben wir Anfang Mai
und das Repertoire ist immer noch nicht erschöpft.
Tschik-tschik.
Sogar heute, im zaghaften Dauerregen, sitzt er da oben auf seiner
altmodischen Fernsehantenne, lässt sich vollregnen und singt
Strophe um Strophe.
Tüdilü.
Frühmorgens fängt er an, man sollte nicht glauben, dass ein
einzelner kleiner Vogel so viele Töne erzeugen kann. Dabei
schaut er sich um, verteilt seine Töne in alle Richtungen.
Wüühwittit.
Zwischendurch lauscht er auf seine Kollegen, lässt sich Neues
einfallen, holt Luft, und schon geht’s weiter, sogar zweistimmig oder
vielleicht sogar dreistimmig, kichern, lachen, plaudern.
Ühui-ühui-föit.
Immer wieder kommt er zu seiner Antenne, jetzt sogar in stark
strömendem Regen sitzt er klatschnass da und probiert Neues,
das ihm wahrscheinlich bei der Regenwurmjagd eingefallen ist.
Trilli-trilli-tüit.
Ständig hat er zu erzählen, nicht nur früh morgens und spät abends,
wie man oft meint. Auch vormittags und nachmittags feilt er an seinen
Strophen. Ein stolzes Vorbild für jeden Schriftsteller und Musiker.
Tüüt-tüüt-tüüt
Manchmal, wenn er singt, es still ist ansonsten, wenn als
Nebengeräusch nur die Mauersegler alle paar Minuten srie-en, und noch
seltener, aber regelmäßig, die Schwebebahn mit ihrem sanften
Rauschen zu hören ist, dann ist das wie große, minimale Musik.
Ab und zu auch eine Stimme von Menschen, ein Rufen, ein Sagen, kein
Schreien, vielleicht eine Schublade, die zugeschmissen wird. Über allem
thront der Gesang des Amsels. Die Abendsonne schmeichelt dem roten
Backsteingemäuer der Schule, in deren Hof die unwissenden Kinder
morgens unsagbar schreien und sich das Leben schwer machen.
einfach herrlich